Lebensmittel Praxis, 30.03.2016
Craft-Biere sind nicht der Heilsbringer für die unter Preisdruck stehende Kategorie Bier. Sie passen aber zum Zeitgeist und machen den Gerstensaft durch ihre Vielfalt wieder interessant.
Craft-Biere erfahren seit Jahren eine bemerkenswerte Aufmerksamkeit. Sei es auf Fachmessen wie der Internorga, in den Medien oder auch auf der Fläche im Lebensmittel-Einzelhandel: Die Geschichten hinter den Klein-Brauereien aus den USA und anderen Ländern faszinieren und bieten demjenigen deutschen Verbraucher, der Individualität und Experimentierfreude zu schätzen weiß, eine willkommene Abwechslung. Bei dem ganzen Hype vergisst man jedoch schnell, wie klein die Kategorie eigentlich noch ist: Am deutschen Gesamtmarkt machen Craft-Biere laut Nielsen gerade mal überschaubare 2,5 Prozent des Umsatzes aus. Im Segment der so genannten „Super Premium Biere“ (Preisindex über 180 Prozent gegenüber der Kategorie Bier und Biermix), wo die Marktforscher IPA & Co. mangels genauerer Definition verorten, sind es aktuell 10 Prozent. „Dieses Segment wächst seit mehreren Jahren, allerdings sind die Wachstumstreiber bisher internationale, etablierte Marken, weniger die Craft-Biere“, erklärt Marcus Strobl, Bier-Experte bei Nielsen, und spielt dabei u. a. auf die im vergangenen Jahr etablierte neue Becks-Range an. Trotzdem: Im Konzert der „echten“ Craft-Biere stellen eher kleine, unabhängige Brauereien die Pioniere. „Der Craft-Bier-Markt an sich ist sehr fragmentiert und hochgradig regional. Über 100 Marken buhlen um die Konsumenten. Allerdings ist deren Verbreitung sehr unterschiedlich und reicht von einem reinen ‚Stadt-Bier‘ bis hin zur regional vertriebenen Spezialität“, sagt Strobl.
Obwohl die Anzahl der Craft-Biere derzeit steigt, ist das Segment also klein. Dennoch birgt es einen entscheidenden Vorteil: Der Fokus auf dem Handwerklichen, der Individualisierung des Produktes durch die Braumeister und der geschmackliche Vielfalt, die in Deutschland durch das Reinheitsgebot jahrzehntelang beschränkt wurde, passen zum Zeitgeist. Und so bieten internationale Bier-Stile wie Indian Pale Ale, Scotch Ale oder amerikanisches Lager die Möglichkeit zur Profilierung und Abgrenzung. „Der Einzelhändler erreicht durch diese Craft-Biere neue Käuferschichten. Zusätzlich bieten ihm die Hersteller mit neuen Sorten und spannenden Unternehmensgeschichten jede Menge Storytelling am PoS“, sagt dazu Lars Roisch, Geschäftsführer der Agentur Stein, die über zehn Jahre Erfahrung mit der Verkaufsförderung und Promotion von u. a. Craft-Bier hat.