Ich habe wie viele andere auch das Interview von Verena Bahlsen bei Horizont gelesen. Sie fordert Hersteller zu mehr Unabhängigkeit von Handelsunternehmen auf. Das passiert bereits, ist jedoch für die großen Hersteller immer eine Herausforderung und verbunden mit der Frage: Baue ich eine eigene Parallelwelt auf und damit einen zweiten Kostenapparat zusätzlich zum Handel oder nicht? Erreiche ich einen vergleichbaren Erfolg in Umsatz, Image und Bekanntheit?
Hersteller brauchen den Handel.
Eins ist klar: Die Markenartikelunternehmen konnten sich dank des Handels von regionalen Familienunternehmen zu nationalen Verkaufsriesen entwickeln. Es ist meiner Meinung nach immer gut, wie von Frau Bahlsen angesprochen, Geschäftsmodelle und bisherige Verhaltensweise zu hinterfragen. Das macht jeden guten zukunftsorientierten Unternehmer aus, der wettbewerbsfähig bleiben möchte und Verantwortung für sein Unternehmen übernimmt. Das machen wir nicht anders, sonst würden wir im nächsten Jahr nicht das 50. Jubiläum der Agentur STEIN feiern.
Warum nicht neu bewerten?
Doch es sei auch erlaubt, die These zu hinterfragen: „Unabhängigkeit vom stationären Handel, um jeden Preis.“? Vielleicht ist es auch an der Zeit, die Wechselbeziehung zwischen Herstellern und dem Handel zur Freude beider Seiten neu zu bewerten und nach Wegen der Veränderung zu suchen.
Innovation der Beziehungen.
Die Macht des Handels ist groß, doch die der Hersteller ist dank ihrer Innovationen und klar erkannten Customer Insights einmalig. Aber warum machen sich die Hersteller vor dem Handel so klein? Mehr Selbstbewusstsein ist gefragt. Alle Markenartikelunternehmen, für die wir täglich Lösungen für den digitalen und stationären Point of Sale entwickeln, sind bereit sich zu verändern. Wir ermutigen unsere Kunden immer, anders zu denken und im Innovationsmanagement nicht nur die Produkte und eigenen Prozesse zu optimieren, sondern auch Kooperationen und Geschäftsmodelle zu hinterfragen.
Der LEH ist im Vorteil.
Ich bin der Meinung, den stationären Handel wird es auch in 10, 30 und 50 Jahren noch geben. Was jedoch bei aller Euphorie bis heute deutlich wird, der Online-LEH – betrieben von Handelsketten – bewegt sich im homöopathischen Umsatzbereich im Vergleich zum Verkaufserfolg des stationären LEH. Alle Experimente der Hersteller eine Parallelorganisation mit eigenen Vertriebswegen, meist online, aufzubauen, werden bei einer sachlichen Bewertung vielleicht dem Image nützen, doch betriebswirtschaftlich mit größerem Aufwand verbunden sein.
Langfristig brauchen alle Marken eine Sichtbarkeit, Image, Identifikation und nicht zuletzt eine Abverkaufsmöglichkeit. Dazu brauchen die Hersteller langfristig den stationären Handel, er wird trotz aller Schreckensszenarien weiter existieren. Und ich sage Ihnen auch warum:
- Das echte Erlebnis mit allen Sinnen bietet nur der Handel vor Ort.
- Alle Frische- & Kühlwaren sind problematisch in der Anlieferung. Im Konzept des LEHs ist es ein Teil eines ausgeklügelten betriebswirtschaftlichen Systems.
- Die Beratung vor Ort von ausgebildetem Personal und gutem Kategoriemanagement führt zu starker Kundenbindung.
- Es entstehen keine Lieferkosten, denn der Kunde kommt mehrmals pro Woche und übernimmt seine Logistik selbst. Im Onlinehandel ist immer noch unklar, wer die letzte Meile im LEH zahlt.
- Das Bedienen von Shopper Insights ist vor Ort leichter und unkomplizierter möglich, mit sofortigem Verkaufseffekt.
- Im Online-LEH gibt es kaum Spontankäufe, sein Hauptargument ist der Preis. Weder Themen noch Shoppinganlässe können effektiv umgesetzt werden. So wird es immer an der Kundenbindung mangeln.
- Die Convenience für den Handelskunden ist, an einem Ort alle Produkte zu sehen, ggf. auszuprobieren, Fragen zu stellen und das Produkt auch sofort zu kaufen und mitzunehmen.
Mein Fazit.
Der LEH ist im Wandel. Einzelhandelsketten erweitern den Eigenmarkenbereich, schaffen so Unabhängigkeit und Markenprodukte für mehr Marge. Hersteller gehen eigene Vertriebswege für Unabhängigkeit und ebenfalls mehr Marge. Doch wo gehen Handel und Hersteller gemeinsam neue Wege, von denen beide Partner und der Konsument profitieren? Wir liefern gern die Antworten dazu.